Rochade Bremen März 2002
Inhaltsverzeichnis
- Bremer Termin- und Turnierkalender
- News
- Termine: Chinesisches Schach bei Werder, 5hoch3-Cup, Mitgliederversammlung LSB
- Die Wurzeln des SK Bremen-West
- West: Horst Grün Vereinsmeister
- Schach-Bundesliga: Werder behauptet Rang 5
- 2. Bundesliga: Kreuzberg gibt Punkt ab
- Oberliga Nord (Staffel West): Werder II baut Führung weiter aus
- Jungendbundesliga: Schwerer Stand für den Delmenhorster SK und TuS Varrel
- Bremer Jugendliga / Jugendklasse
- Der 4. Nordwest-Cup 2002 in Bad Zwischenahn
Was meine Haare und Berlin gemeinsam haben
Unlängst stand bei mir mal wieder Haare waschen und schneiden an. Trotz wechselnden Friseuren folgt nach dem Waschen immer die gleiche Frage: »Wie hätten Sie es gern?«. Automatisch antworte ich seit zirka zehn Jahren: »Verkaufen Sie mir etwas«. Genauso lange warte ich nun darauf, dass man mir mal mehr anbietet als einfach die Haare zu schneiden. Ein schlechtes Zeichen für eine Dienstleistungsbranche, dass sie mir nur die Standardleistung verkaufen will, dachte ich bisher. Diese Auffassung musste ich nun revidieren, teilte mir doch die Friseuse in typisch berlinerischer Art bei meinem letzten Besuch mit, dass da nicht mehr viel zu machen sei!
Ähnlich abgebrannt wie auf meinem Kopf sieht es auf dem Konto des Landes Berlin aus. Etwa 39 Milliarden Euro Schulden hat das Land Berlin angehäuft. 2002 werden, z. T. wegen der Auflösung »versteckter Schulden« noch mal über 6 Milliarden Euro hinzukommen; und das bei einem Haushaltsvolumen von etwa 20 Milliarden Euro. Bis 2006 werden, wenn »alles Gut geht«, die Schulden auf 58 Milliarden Euro angewachsen sein. Dann wird das Land Berlin, das schon jetzt auf dem Kreditmarkt höhere Zinssätze zahlen muss als z. B. Bayern, über 3 Milliarden Euro jährlich allein für Zinsen ausgeben.
Von einem »Sauhaufen« sprach, angesprochen auf die Finanzverhältnisse in Berlin, unlängst Altkanzler Helmut Schmidt. Ich würde meinen, die Schuldenfalle hat zugeschnappt. Die Berliner Finanzdaten erinnern längst an ein pleite gegangenes Entwicklungsland, das mit heruntergelassenen Hosen mit den Gläubigerbanken über einen Schuldenerlass verhandelt.
In Anbetracht dieser Finanzdaten sollte man meinen, da geht bei den Ausgaben nichts mehr. In der Tat, zukünftige Investitionen werden zurückgefahren, auch wenn diese teilweise bis zu 75 Prozent vom Bund, der Europäischen Union etc. mitfinanziert werden. Doch da wo es an den Bestand geht, macht sich massiver Widerstand breit, egal ob es um die Umwandlung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin in ein Regionalkrankenhaus, der Aufgabe des Polizeiorchesters oder der Reiterstaffel geht. Die Betroffenen wehren sich und sie können mit der Solidarität der Berliner Bevölkerung rechnen. Es läuft auf den Grundsatz hinaus, »ja, wir müssen sparen, aber bei mir bitte nicht«. Manch einer hofft dabei insgeheim auf den Haushaltsnotstand und entsprechenden Zahlungen des Bundes. Doch Berlins Finanzproblem ist struktureller Art. Solange es nicht gelingt Einnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen, helfen auch keine zeitlich befristeten Zahlungen des Bundes. Also muss abgespeckt werden, ein massiver, ein schmerzhafter Weg. Doch weder die Politik, die Verwaltung noch die Berliner werden meiner Ansicht bereit und fähig sein diesen Weg zu gehen. Solange die Banken und der Kapitalmarkt bereit sind Geld in das insolvente Berlin zu pumpen, wird sich die Politik, natürlich unter Schmerzen, für den Weg der Weiterverschuldung entscheiden.
Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es sicherlich interessant zu untersuchen, ob irgendwann einmal von Berlins Finanzen aus eine Störung für den deutschen bzw. europäischen Finanzmarkt ausgehen könnte. Dann müsste der Bund eingreifen, um größeren Schaden zu verhindern. In einem solchen Fall wäre der volkswirtschaftliche Schaden trotzdem erheblich und würde nicht nur die Berliner treffen.
Ulrich Giese