Deutsche Schnellschachmeisterschaften, Höckendorf 2004

Schnell läuft die Zeit – hopphopphopp! Man merkt es am Morgen, wenn man sich nach dem Klingeln des Weckers auf den eiligen Weg zur Arbeit macht. Man merkt es in jeder Blitzpartie, in der einem die Minuten nur so durch die Finger laufen. Und! man merkt es immer wieder (und so auch jetzt) bei einem flüchtigen Blick auf den Kalender. Februar ist es schon, der Monat der Narren und des Karnevals, und es ist dem Gefühl nach eigentlich noch gar nicht so lange her, da war es noch Oktober und der Herbst mit all seinen Stürmen und der Winter mit all seinen kühlen Verwehungen stand noch vor der Tür. –

Was soll mit all diesen umständlichen Worten gesagt werden? Nun, seit vier Monaten bereits habe ich der Rochade einen kleinen Turnierartikel versprochen, in dem ich über meine Reise zu den Deutschen Schnellschachmeisterschaften im Oktober 2004 in Höckendorf bei Dresden berichten wollte. Wir leben in eiligen Zeiten, und so zeigt der Kalender nun bereits 2005 und Februar. Ich bin also etwas spät mit dem versprochenen Artikel. Und es steht zu befürchten, dass sich die Rochade- Verantwortlichen aufgrund dieser schrecklich langen Einleitungssätze gewünscht hätten, ich hätte auch niemals einen geschrieben. Aber – sei's drum. Nun geht es wirklich und endlich und nach langer Vorrede los! (Nachtrag: schon wieder sind einige Tage vergangen – nun ist es schon der fünfte März!) –

Moinmoin! Überraschend konnte ich im letzten Herbst als Vertreter Bremens zu den Deutschen Meisterschaften im Schnellschach reisen. Durch einen zweiten Platz hinter dem zu diesem Zeitpunkt vereinslosen Tobias Jugelt (wie gesagt: vereinslos, aber sonst Delmenhorst!) wurde ich »bester Bremer« und machte mich daher im düsteren Oktober auf nach Höckendorf bei Dresden. Dort gibt es ein schickes Sporthotel, das ab und an gerne ein paar Schachveranstaltungen in seine Räumlichkeiten lockt. Hinter dem Haus wohnt ein kleiner Zoo, mit Ur-Rindern (wie damals im Yps-Heft), bodenständigen Schafen und einem Rudel Wellensittiche, dass sich mit viel Optimismus durch den Herbstnebel zwitscherte.

Am frühen Samstag Nachmittag fanden sich nun die Schachspieler aus aller Herren (Bundes-) Länder ein. Leider waren es weniger als erhofft, denn insbesondere ein paar der GMs und IMs waren kurzfristig und ohne abzusagen nicht erschienen (so z.B. Karl-Heinz Podzielny und Hans-Joachim Hecht). Für eine Deutsche Meisterschaft ein eher ungewöhnliches Verhalten, dennoch weiß man ja nie, was der Grund dafür ist.

Auch ich hatte mich in vielen Stunden Bahnfahrt am Vortage erst nach Dresden durchgerobbt, sah mich ein wenig in der schönen und abendlichen Innenstadt um und suchte dann lange Zeit inmitten von großen, schweren Plattenbauten mein Quartier. Dort lebte und schlief es sich gut. Die Vermieterin allerdings teilte mir am nächsten Morgen unter einem geheimnisvoll drapierten Tuch ein einziges Brötchen für das Frühstück zu (mit einer Scheibe Käse und einem kleinen Schälchen Marmelade) – sehr sehr lecker alles, aber leider etwas knapp.

Dennoch erwischte ich einen guten Start in das Turnier. Zwar bog mich Erik Zude (Hofheim) in der ersten Runde bei aufkommender Zeitnot locker um, und ich argwöhnte schon, ob mir wohl die Turnierhärte fehlen würde für diese Veranstaltung. Denn auch in der zweiten Runde sprang mich mein Gegner heftig an, aber es war doch alles etwas überstürzt und er verlor nach einigen Komplikationen. Nach einer weiteren Null gegen Torsten Sabok (König Tegel) jedoch begann eine unheimliche Serie von Punkten, die mir in den nächsten vier Runden 3,5 Punkte und den ehrenvollen fünften Platz in der Tabelle am Ende des Tages einbringen sollte (an dieser Stelle hätte das Turnier auch gerne schon enden können).

Alles begann mit einer sonderbaren Partie gegen Axel (?) Simon vom BSC Rehberge Berlin:

Simon – Steffens (4.Runde)

Partie im PGN-Format

Also, Glück gehabt, und mein Gegner verließ das Brett auch einigermaßen genervt. Auch fand er es sehr frech, dass ich nach dem 19. Zug Remis angeboten hatte – denn das gehöre sich nicht, mit drei Bauern weniger.... (vielleicht hat er Recht?)

Auch die beiden nächsten Partien gingen zu meinen Gunsten aus, wenngleich in einem Fall nur deshalb, weil bei meinem Gegner das Plättchen fiel, kurz nachdem er ein heftig einzügiges Matt übersehen hatte. Am Abend dann (es war schon halb neun) endete die siebte Partie Remis gegen Hannes Langrock (Hamburger SK), so dass er, Michael Ehrke (Lübecker SV) und ich uns noch zu einem Bier und dem Abendbüffet zusammensetzen konnten, ehe der Tag dann mit dem Spätprogramm der ARD (oder so) zu Ende ging.

Am nächsten Tag dann lief bei mir gar nichts mehr, die Realität holte mich wieder ein – zuerst durch eine satte Null gegen den IM Vatter aus Baden-Württemberg (er hatte von da an einen Lauf und spielte in der letzten Runde sogar noch um den Titel mit), und dann etwas unglücklich gegen den IM Oswald Gschnitzer aus Kirchheim: (s. Diagramm)

Partie im PGN-Format

So war es also – und von nun an eierte ich nur noch so herum, verlor, gewann, und verlor auch in der letzten Runde noch einmal. Mit 5,0 Punkten aus 11 Partien war das nicht die Welt, und nach dem guten ersten Tag ein bisschen enttäuschend. Aber macht ja nichts, denn es war ein schönes Wochenende im Südosten im frühen Herbst, mit aufregenden Partien und einem einfachen Leben – nur Schach spielen, essen, trinken und in der Herbstsonne herumhängen. So soll es sein.

Das Turnier wurde am Ende ganz locker entschieden durch den GM Klaus Bischoff. Er hatte schon früh alles und jeden umgemäht und saß mit einem netten Vorsprung beständig am Spitzenbrett. Allerdings begann er einen Tick zu früh mit den Sicherheitsremisen, so dass – wie angedeutet – der IM Vatter noch wacker zu ihm aufschloss. Leichte Unruhe beim GM daher wieder in der letzten Runde, aber dann doch ein lockerer Sieg und der verdiente deutsche Meistertitel für den stärksten Spieler des Turniers!

Und auch für mich fand die Reise ein angenehmes Ende, denn auf dem Rückweg fand ich einen Platz im Auto des schleswig- holsteinischen Teilnehmers Michael Ehrke, und so war ich auch relativ fix am Abend wieder zu Hause in der alten Hansestadt Bremen. Das Wochenende brachte auf diese Weise viele Eindrücke von unbekannten Städten; auch konnte ich alte Bekannte und Freunde treffen, und es war prima, unterwegs zu sein und ein Stückchen von der Welt zu sehen. Darum danke an den Bremer Schachbund, dass ich für die Reise zur Deutschen gesponsert wurde und für Bremen dort an den Start gehen konnte. Zwar konnte ich nicht so viele Punkte mit ins kleinste Bundesland zurückbringen, aber ... schön war es trotzdem! (und nun, nach langen Wintermonaten, gibt es auch endlich den Bericht!)

Olaf Steffens