16. Diemer-Memoriam vom 13.05.2006: Wachablösung
I Turnierverlauf
Im Vorfeld waren diesmal, sofern der interessierte Teilnehmer darauf achtgab, unscheinbare Veränderungen zu bemerken. Die Einladungen und Turnierausschreibungen wurden diesmal sehr frühzeitig verschickt. Wenn man genauer auf den Absender achtete konnte weiterhin festgestellt werden, dass die Turnierorganisation und -vorbereitung nicht mehr durch den langjährigen Turnierleiter Volker Drüke erfolgte, sondern von SF Rainer K. , dem 1. Vorsitzenden der Schachfreunde Nagold, übernommen wurde. Nach bisher insgesamt 14 von 15 stattgefundenen Turnierorganisationen, das aktuelle Turnier herausgerechnet, hat Volker Drüke die Turnierorganisation und -leitung aus persönlichen Gründen abgegeben. An dieser Stelle noch einmal vielen herzlichen Dank für die langjährige Turnierorganisation und -leitung mit all den zwischenzeitlichen Rückschlägen und verschiedenen Unwägbarkeiten im Namen aller interessierten BDG-Anhänger und Turnierteilnehmer der letzten 15 Jahre!! Besonders unter dem Blickwinkel, dass trotz vorbildlicher Organisation in der Vergangenheit manchmal nur 5 oder noch weniger Teilnehmer erschienen, ist Volker Drüke seine Beharrlichkeit und sein Durchhaltevermögen entsprechend zu würdigen!
Glücklicherweise scheint sich die Unwägbarkeit mit der Teilnehmerzahl in den letzten Jahren dahingehend stabilisiert zu haben, dass sich jeweils um die 20 Teilnehmer einfinden. So auch diesmal. Insgesamt 22 Teilnehmer fanden sich zum 16. Emil Josef Diemer-Gedächtnisturnier im Gasthof Rebstock in Fußbach-Gengenbach ein. Am weitesten angereiste Teilnehmer waren neben meiner Wenigkeit Dr. Jürgen Meyer-Roschau aus der Altmark/Sachsen-Anhalt und Gerhard Meyer/Berlin, die nach 2005 beide zum 2. Mal teilnahmen. Beide reisten, wie ich auch, bereits am Vortag an und quartierten sich ebenfalls im Gasthof Rebstock bei unserer Turniergastgeberin Frau Schilli ein. Die restlichen Teilnehmer aus den Regionen Bayern, Baden und Württemberg, sowie Volker Drüke aus Ludwigshafen erschienen pünktlich am Turniertag.
Eine Prognose bzgl. Turniergewinn war nicht möglich, weil sämtliche Spieler mit deutlich höherer DWZ-/Elo-Zahl als das übrige Teilnehmerfeld diesmal nicht anwesend waren. So fehlten z.B. der Vorjahressieger Rudi Volf aus München (Elo ca. 2200) und der mehrmalige Turniersieger Max Scherer (Elo 2325), so dass diesmal nur ein oberes Hauptfeld aus Spielern mit DWZ 1700-2050 vorhanden war. Bei Spielern dieser Spielstärkekategorie ist ein Straucheln gegen nominell deutlich schwächere Spieler allerdings wesentlich wahrscheinlicher. Einige erfahrene BDG-Veteranen oder Turniergewinner früherer Jahre wie z.B. Tido Totzke, Georg Studier oder Helmut Kaufmann waren natürlich anwesend und konnten sich Hoffnung auf den Turniersieg machen. Ebenso wie Dr. Jürgen Meyer-Roschau, der im letzten Jahr mit einem BDG-Sieg über Max Scherer (Elo 2325) und einem respektablen 4. Platz auf sich aufmerksam machte. Als Geheimtip können natürlich auch immer die Jugendlichen gelten, die mit Sf Helmut Kaufmann gemeinsam zum Turnier anreisen und ansonsten von ihm trainiert werden. Wie bei früheren BDG-Turnieren z.B. Heiko Adler der im badischen Raum schachlich kein Unbekannter mehr ist oder diesmal der amtierende badische U 10-Meister Andreas Bauer.
Entsprechend ausgeglichen wie die Spielstärke im Teilnehmerfeld, war dann auch die Situation nach der 3. Runde. Vor der Mittagspause war kein TN ohne Punktverlust geblieben. Neben einer Führungsgruppe von 5 TN mit 2,5 Pkt, folgte eine weitere Gruppe von 4 TN mit 2,0 Pkt und 5 weiteren TN mit 1,5 Pkt, so dass sich insgesamt noch 14 TN mehr oder weniger Hoffnung auf den Turniersieg machen konnten. Auch die 4. Runde nach der Mittagspause brachte noch keine eindeutige Aufhellung der Situation. Tido Totzke musste mit 2,5 Pkt auf dem Konto durch eine Niederlage einen Rückschlag hinnehmen, während die Sf Lübbert und Ruf sich trotz einer Niederlage in den ersten beiden Runden mit 3,0 Pkt bis auf einen halben Pkt an die Tabellenführung herangekämpft hatten. Damit standen sie nun in einer Reihe mit den Sf Georg Studier, Helmut Kaufmann und Andreas Bauer, die noch ohne Niederlage geblieben waren und lediglich 2 Remisen abgegeben hatten. In Lauerstellung mit 2,5 Pkt waren außer Tido Totzke noch die Sf Valeri Dell, Marcel Vetrano und Dr. Jürgen Meyer-Roschau zu finden die bei sich günstig entwickelnder Situation die Führung übernehmen konnten. Nach der 5. Runde war die Führungsgruppe allerdings schon von 13 auf nur noch 9 TN zusammengeschmolzen. Mit 4,0 Pkt/ 5 Partien befanden sich u.a. die Sf Helmut Ruf und Andreas Bauer im Führungstrio, dicht verfolgt von BDG-Altveteran Georg Studier und den Sf Tido Totzke und Dr. Jürgen Meyer-Roschau mit 3,5 Pkt. Schon etwas distanziert folgten die Sf Helmut Kaufmann, Roland Steiert und Dietrich Lübbert mit 3,0 Pkt.
Auch nach Runde 6 war das entstandene 9er-Feld noch relativ dicht beisammen. Allerdings hatten einige TN aus diesem Feld nunmehr schon keine Chancen mehr auf den Turniergewinn. Sf Helmut Ruf verlor durch eine weitere Niederlage empfindlich an Boden, ebenso wie Georg Studier gegen Tido Totzke, womit sich der Letztgenannte mit 4,5 Pkt/ 6 Partien eindrucksvoll im Kampf um den Turniersieg zurückmeldete. Auch der badische U 10-Meister Andreas Bauer stockte sein Konto auf 4,5 Pkt auf, indem er durch eine sehr gute Partieanlage Dr. Jürgen Meyer-Roschau ein Remis abtrotzte und ggf. noch auf Sieg hätte spielen können. Bis hierhin ohne jegliche Niederlage meldete der badische Jungspieler vom SC Emmendingen eindrucksvoll Ansprüche auf den Turniersieg an. Sein Trainer Helmut Kaufmann dagegen, hatte mit 4,0 Pkt/ 6 Partien ebenso die Sf Meyer-Roschau, Steiert und Ruf nur noch die Chance auf einen Tabellenplatz im oberen Drittel.
Schlussrunde 7 brachte dann die Entscheidung. Tido Totzke musste sich gegen Helmut Kaufmann mit einem Remis begnügen, ebenso wie Helmut Ruf gegen Werner Kienzler während die Sf Studier und Meyer-Roschau mit vollen Punktgewinnen ihr Konto aufbesserten. Nun musste die Partie von Sf Bauer die Entscheidung über den Turniersieg herbeiführen, wobei Niederlage oder Remis nicht ausreichten. Ein Sieg dagegen würde das übrige TN-Feld distanzieren und den 1. Platz bringen. Die Chancen standen zunächst gut. Ein Bauerngewinn durch gegnerischen Fehler in der Eröffnungsphase verschaffte Andreas Bauer mit den weißen Steinen einen Mehrbauern und die bessere Stellung. Damit deutete alles auf seinen Sieg hin. Einige ungenaue Züge und Fehleinschätzungen der Stellung in der kritischen Partiephase wendeten jedoch die Partie zu seinen Ungunsten und ließen den badischen Jungmeister straucheln und auf einen trotzdem sehr respektablen 4. Platz hinter Dr. Jürgen Meyer-Roschau (Platz 3) und Tido Totzke (Platz 2) zurückfallen. Die punktgleichen Sf Studier (Platz 5), Kaufmann (Platz 6) und Ruf (Platz 7) konnte Andreas Bauer aber durch die bessere Buchholzzahl auf Distanz zu halten. Bleibt noch zu erwähnen, dass es dem badischen Jungmeister als einzigem Turnierteilnehmer glückte seinen Vereinskollegen und schachlichen »Drill-Sergeant« Helmut Kaufmann eine Niederlage beizubringen und ebenso wie sein »Ausbilder« ein Remis gegen Tido Totzke zu erspielen. Dies alles deutet auf eine sehr gute schachliche Ausbildung, Talent und ein großes schachliches Potential hin. Sofern schachliche Begeisterung, Fleiß und Ehrgeiz von ihm beibehalten werden und die Förderung durch Eltern, Verein und Trainer nicht nachlassen wird diese Turnierleistung von Andreas Bauer sicherlich keine Eintagsfliege bleiben!
Womit wieder einmal ein rundum gelungenes Emil-Joseph-Diemer-Gedächtnisturnier zu Ende ging. Der neue Organisator und Turnierleiter Rainer K. hatte alles sehr gut im Griff, so dass sein Vorgänger Volker Drüke sich diesmal ganz entspannt nur seinen Turnierpartien widmen konnte. Es gab keinerlei unerfreuliche Zwischenfälle regeltechnischer oder zwischenmenschlicher Natur. Die Atmosphäre zwischen den TN war insgesamt harmonisch und freundschaftlich, trotz der natürlich vorhandenen Rivalität beim Spiel um Partie- und Turniersieg. In der Mittagspause sorgte die Rebstockwirtin und Gastgeberin Frau Schilli und ihr Personal mit einer hervorragenden Küche für das leibliche Wohl der Turnierteilnehmer zu deren vollsten Zufriedenheit. Bleibt also nur noch abzuwarten wann das nächste von Rainer K. organisierte Emil-Joseph Diemer-Gedächtnisturnier im nächsten Jahr stattfinden wird. Die Frage nach dem diesjährigen Turniersieger hingegen werden einige Partiestreiflichter und etwas Plauderei über einige handelsübliche Verteidigungen gegen das BDG klären, bevor die Endtabelle folgt. Es war aus verschiedenen Aspekten leider erforderlich einige Nebelkerzen zu verwenden.
II Partiestreiflichter vom 16. Emil Joseph Diemer-Gedächtnisturnier,
Fußbach-Gengenbach 2006:
Nachfolgend einige Partien mit Kommentierung. Alle Partien wurden mit der Bedenkzeit 30 min/Spieler und Partie im Schweizer System am 13.05.2006 gespielt.
A) Teichmann-Verteidigung 5...Lg4 (nach 5 Sxf3)
- Tönjes, J.
- Brzezinka, K.
- 16. Emil Joseph Diemer-Gedächtnisturnier Fußbach-Gengenbach, 13.05.2006
- ECO D00, Anmerkungen: Tönjes, J
- Zunächst haben wir es mit der relativ beliebten sogenannten "Teichmann-Verteidigung" zu tun. Die Namensgebung durch Emil Joseph Diemer bedingt einen der populärsten Irrtümer in der BDG-Nomenklatur. Diemer schrieb sie dem GM Richard Teichmann zu, der diese in der 8. Auflage des "Bilguer" auf S. 864 als eine der besten Verteidigungen angibt. Soweit nachzulesen in "Das moderne Blackmar-Diemer-Gambit, Band 2 von Alfred Freidl auf S. 105. Die Sache hat jedoch mehrere Haken: 1) Das erste moderne BDG mit 3 Sc3 nebst 4 f3 wurde von Diemer 1931 gespielt, GM Teichmann verstarb aber bereits 1925!! 2) In der angegebenen Bilguer-Ausgabe ist zu 5...Lg4 tatsächlich eine analytische Zugfolge tabellarisch aufgeführt. Es geht aber nirgends in dieser Bilguer-Ausgabe hervor, dass GM Teichmann der Fursprecher, Analytiker oder Autor dieses Kapitels war! 3) Schlussendlich ist bis heute keine Partie bekannt in der GM Teichmann die schwarzen Steine führte und sich mit 5...Lg4 verteidigte!! Abgesehen davon wurde 5. Sxf3 erst Anfang der 1950er-Jahre von Diemer und dem Rest der BDG-Spieler vermehrt angewendet und analysiert. Vorher wurde hauptsächlich 5.Dxf3 gespielt und von Diemer untersucht. Es bleibt also Diemers Geheimnis, wieso er diese Verteidigung GM Teichmann zuschreibt ...
- 1. d4 d5 2. e4 dxe4 3. Sc3 Sf6 4. f3
- Soweit die vorgeschriebenen Thematurnierzüge. Ab jetzt war dem Schwarzspieler freigestellt, wie fortgesetzt wird.
- 4... exf3 5. Sxf3
- Bildet nach der Annahme den Hauptkomplex.
- 5. Dxf3
- ist gegenwärtig schon einige Zeit etwas außer Gebrauch gekommen.
- 5... Lg4
- die sogenannte "Teichmann-Verteidigung"
- 6. h3
- Soll u.a. nach Diemer am konsequentesten sein.
- 6... Lh5
- Bildet nach dem Hauptzug
- 6... Lxf3
- den von der Verteidigerseite am meisten gespielten Zug im 5... Lg4-System. Andere Züge sind von untergeordneter Bedeutung und werden seltener angewendet.
- 7. g4
- Wer "A" sagt, sollte auch "B" sagen.
- 7... Lg6
- Die Alternative
- 7... Sxg4 8. hxg4 Lxg4
- sieht nach z.B.
- 9. Lc4 e6 10. Dd3
- usw. eher fragwürdig für Schwarz aus, wie in der anglo-amerikanischen BDG-Literatur mehrfach nachzulesen ist
- 8. Se5 e6
- Gespielt wurden auch schon
- 8... Le4
- 8... Se4
- 8... Sd5
- 8... Sc6
- und die wichtigste Alternative
- 8... Sbd7
- 9. Df3
- Diagramm
- Am meisten wird in der BDG-Literatur auf
- 9. Lg2
- verwiesen. Der Partiezug geht auch; allerdings sollte man wissen, was nach 9... Dxd4 zu tun ist und sich nicht ins Bockshorn jagen lassen.
- 9... Dxd4?!
- 9... c6
- ist die wesentlich solidere und bessere Antwort
- 10. Sxg6
- Nach dem Motto "Stumpf ist Trumpf" gespielt.
- Bei unseren anglo-amerikanischen Literaten und BSG-Freunden (Tim Sawyer, Ken Smith/John Hall, IGM Gary Lane) taucht dieser Zug nicht auf. Dort wird gern die Partiezugfolge
- 10. Lb5+ Sbd7 11. Sxd7 Sxd7 12. Le3 De5 13. O-O-O Ld6 14. Lxd7+ Kxd7 15. Lf4 Df6 16. Txd6+! Kc8 17. Sd5
- 1-0, Clausner-Rossell/Corr 1983 rezitiert.
- 10... hxg6
- Was sonst?
- 11. Dxb7
- Schnie, schna, ...
- 11... Lb4
- Hier waren noch einige andere taktische Verwicklungen möglich, z.B.
- 11... De5+ 12. Le2 Sxg4
- (12... Dg3+ 13. Kd1 Dd6+ 14. Ld2
- , und Weiß pocht auf Dxa8+/-
- )
- 13. hxg4
- ( 13.Dxa8?? Dg3+-+ )
- 13... Dg3+ 14. Kf1 Txh1+ 15. Dxh1 c6 16. Df3+/=
- mit Figur und Entwicklungsvorsprung für 2 Bauern
- 11... Sxg4 12. Dxa8
- ( 12.hxg4 Txh1 13. Dxh1 c6 14. Df3
- mit der Idee 15.Ld2 und 16.0-0-0 mit Figur für 2 Bauern
- )
- 12... Df2+ 13. Kd1 Dd4+ 14. Ld3 Sf2+ 15. Ke2 Sxh1 16. Dxb8+ Kd7 17. Lb5++-
- 12. Dxa8
-
Schwarz am Zug A B C D E F G H 8 7 6 5 4 3 2 1 - 12... Sfd7
- Auf
- 12... Lxc3+
- war noch
- 13. bxc3 Dxc3+ 14. Kd1 Dxa1 15. Dxb8+ Ke7 16. Dxh8
- kalkuliert. Alles andere war Intuition, dass Weiß bei anderen taktischen Abwicklungen auch besser abschneidet. Schwarz sieht es ähnlich und lässt es nicht drauf ankommen.
- Aber nach
- 13. Df3 O-O 14. Ld2 De5+ 15. Le2 Td8 16. O-O-O
- hat Schwarz außer einem Bauern nichts für den verlorenen Turm
- 16... Sc5 17. Lf4 Txd1+ 18. Txd1 Df6 19. Lxc7 Sbd7 20. Dxf6
- und blutet materiell langsam aus, weshalb der Rest dann zur Formsache wird.
- 20... Sxf6 21. Ld6 Lxc3 22. Lxc5 Se4 23. Lxa7 Lf6 24. Le3 Kh7 25. Ld3 Sd6 26. Lxg6+ Kxg6 27. Txd6 Le5 28. Td3 f6 29. h4 Kh7 30. a4
B) Ryder-Angriff (5 Dxf3 c6 = Doppelbauernopfer abgelehnt)
- Totzke, T.
- Meyer-Roschau, Dr. J.
- 16. Emil Joseph Diemer-Gedächtnisturnier Fußbach-Gengenbach, 13.05.2006
- ECO D00, Anmerkungen: Tönjes, J
- Wer Turniersieger werden möchte, kommt schlecht am Hornberger Scharfschützen Tido Totzke vorbei. Mindestens ein Remis muss gegen ihn geschafft werden - oder noch besser ist es. ihm den vollen Punkt abzunehmen. Letzteres gestaltet sich immer sehr schwierig, da Tido Totzke häufig in kritischen Partiesituationen sich zäh und bissig verteidigt, den Überblick behält und dann häufig noch gewinnt. SF Jürgen Meyer-Roschau lernt ihn in der folgenden Partie kennen...
- 1. d4 d5 2. e4 dxe4 3. Sc3 Sf6 4. f3 exf3 5. Dxf3
- Der etwas aus der BDG-Mode gekommene Ryder-Angriff, basierend auf der von Diemer gefundenen Partie Dr. Ryder-N.N./Leipzig 1899
- 5... c6
- Eine der handelsüblichen Verteidigungen, mit denen der zweite angebotene Bauer auf d4 abgelehnt werden kann.
- Es gibt auser
- 5... Dxd4
- (Annahme) auch noch
- 5... e6
- 5... g6
- (erstmals von IGM Bogoljubow 1949 gegen Diemer angewendet)
- 5... Sc6
- , was häufiger gespielt wird.
- 5... Sbd7
- und andere Verteidigungsarten sind seltener anzutreffen.
- 6. Le3
- Zur Absicherung von d4
- Mit
- 6. Ld3
- kann das zweite Bauernopfer weiter angeboten werden.
- 6... Lg4 7. Df2 e6 8. h3 Lf5 9. O-O-O Lb4?!
- Besser sofort
- 9... Le7
- Es kommt eher Weiß entgegen, wenn der schwarzfeldrige Läufer gegen den Sc3 getauscht wird. Und falls er nach a2-a3 doch behalten werden soll, muss er sowieso zurück ziehen, was auf Tempoverlust hinauslauft, oder nach Lb4-a5 werden die schwarzen Felder am Königsflügel für Schwarz schwach.
- 10. Sge2 Sbd7 11. g4 Lg6 12. Lg2 Sb6 13. Lg5 h6 14. Lh4 Le7
- Der Tempoverlust
- 15. Lg3 Sbd5 16. Sxd5 Sxd5 17. h4?
- Danach gewinnt Schwarz einen zweiten Bauern. Allerdings hat Weiß auch bei einem der nachfolgend untersuchten Vorbereitungszüge Probleme.
- 17. a3 Lg5+! 18. Lf4
- ( 18.Kb1? Se3! -+ )
- 18... Sxf4 19. Sxf4 Dd6 20. Thf1 Lxf4+ 21. Dxf4 Dxf4+ 22. Txf4=/+
- 17. c3 Lg5+! 18. Lf4 Sxf4 19. Sxf4 Da5 20. a3-/+
- 17. Kb1 Sb4 18. Tc1 Lg5 19. Lf4 Da5 20. a3 Sxc2 21. Txc2 Da4! 22. Sc3 Dxc2+ 23. Dxc2 Lxc2+ 24. Kxc2 Lxf4-+
- 17... Sb4! 18. h5??
-
Schwarz am Zug A B C D E F G H 8 7 6 5 4 3 2 1 - 18... Lh7?
- Schwarz sieht es nicht, und ein knurrender Blindenhund war auch nicht anwesend. Nach
- 18... Lxc2! 19. Td2 Sd3+ 20. Txd3 Lxd3
- verliert Weiß ersatzlos die Qualität und einen weiteren Bauern.
- 19. Sc3 Sxc2 20. Le4 Lxe4 21. Sxe4 Sb4 22. a3 Sd5 23. Tdf1 O-O 24. Le5 f5?
- Kommt Weiß gegen, schwächt das Feld e6 und lockert unnötig den Königsflügel auf. Die besseren Alternativen fur Schwarz waren 24...Da5 mit der Drohung Lxa3 und gleichzeitiger Auflösung des angefressenen weißen Damenflügels oder ein Bauernsturm mittels a7-a5 und b7-b5, nebst a5-a4 und/oder b5-b4 usw.
- 25. gxf5 exf5 26. Dg3 Lg5+ 27. Sxg5 Dxg5+ 28. Dxg5 hxg5 29. h6!
- Plötzlich hat Weiß wieder Angriffsspiel und fängt an, besser zu stehen.
- 29... Se3
- 29... g6?? 30. h7++-
- 29... Sf6? 30. Txf5
- mit weiter anhaltendem weißem Druckspiel ist auch nicht zu empfehlen
- 29... gxh6 30. Txh6
- und es droht 31.Th8+ Kf7 nebst 32.Txf5+ usw. oder auch 31.Tfh1 bzw. 31.Th5, und Schwarz steht verdächtig.
- 30. Tf3 f4 31. hxg7 Tfe8 32. Tfh3 Kf7 33. Th8 Tg8 34. Txg8 Txg8 35. Tg1 Kg6??
- Ein Fehler in hochgradiger Zeitnot und ablaufender Bedenkzeit.
- Besser
- 35... Sc4
- 36. Lxf4
C) Langeheinecke-Verteidigung (4 f3 e3)
- Tönjes, J.
- Totzke, T.
- 16. Emil Joseph Diemer-Gedächtnisturnier Fußbach-Gengenbach, 13.05.2006
- ECO D00, Anmerkungen: Tönjes, J
- Eine Verteidigung gegen das BDG, bei der sowohl Weiß als auch Schwarz vollauf zufrieden sind, ist die Langeheinecke-Verteidigung (4...e3) mit Rückgabe des Gambitbauern, erstmals 1940 gegen Diemer in einer Fernpartie von Dr. Langeheinecke angewendet. Es existiert allerdings auch eine Partie van den Bosch - IGM Flohr aus dem Jahr 1932, deren Partieanfang sehr stark an die Langeheinecke-Verteidigung erinnert (1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Lc4 Sf6 5.f3 e3) Weiß freut sich über den zusätzlichen Entwicklungsvorsprung ohne Bauernopfer und die Kontrolle der Felder g4 und e4 durch den Bf3. Schwarz dagegen ist glücklich, weil er meint, dem weißen Aufbau einen Zug untergejubelt zu haben, der nicht ins System passt und die Angriffsmaschinerie hemmt. Außerdem besteht noch die Möglichkeit für Schwarz, früh in der Eröffnung weiteren Figurenabtausch zu erzwingen. Es ist Tido Totzkes Lieblingsverteidigung, wenn er Schwarz hat und mit der er schon diverse halbe und volle Punkte eingesammelt hat. In der folgenden Partie wendet er sie an.
- 1. d4 d5 2. e4 dxe4 3. Sc3 Sf6 4. f3 e3 5. Lxe3 Sd5
- Auch dieser Zug folgt bei ihm fast immer so sicher wie das Amen in der Kirche
- 6. Sxd5 Dxd5 7. c4 Dd8
- Dieser Rückzug in die positionell klinisch reine Grundstellung ist neu.
- Nach
- 7... Da5+
- läßt sich die Umgruppierung Le3-d2-c3 gut vornehmen.
- 8. Ld3 g6 9. Se2 Lg7 10. Dd2 Sc6 11. Le4 O-O 12. O-O-O!?
- Auf Krawall gebürstet.
- Weiß kann auch
- 12. O-O
- spielen, was vielleicht besser und ein solideres positionelles Fahrwasser ist - allerdings auch mit höherer Remisbreite.
- 12... a5
- Besser vielleicht erst
- 12... Ld7
- um ggf. einen isolierten Doppelbauern in der c-Linie zu vermeiden und dann erst loszulegen.
- 13. h4 f5?!
- Jetzt erzwingt sich Schwarz förmlich diesen positionellen Lapsus und schwächt obendrein seinen Königsflügel.
- 14. Lxc6 bxc6 15. h5 e5
- Nimmt den weißen Angriff etwas auf die leichte Schulter.
- 16. hxg6 hxg6 17. Lh6 Df6 18. Lxg7 Dxg7 19. Dg5!
-
Schwarz am Zug A B C D E F G H 8 7 6 5 4 3 2 1 - 19... Le6 20. Th6 Kf7 21. d5 cxd5 22. cxd5 Ld7
- Remisangebot von Schwarz wegen Materialgleichheit und mit der Ansicht, alle Attacken von Weiß abwehren zu konnen. Weiß hingegen meint, dass noch etwas Budenzauber möglich ist.
- 23. d6! c6
- Nach
- 23... cxd6 24. Txd6
- wird die Verteidigung von g6 zum Problem mit wenig Fluchtfeldern für die Dg7, und auch der Ld7 wäre gefährdet.
- 24. Tdh1
- Jetzt droht die Ferkelei 25.Th7 mit Damengewinn.
- 24... Df6
- Auf
- 24... Th8
- fällt die schwarze Stellung nach
- 25. De7+
- auseinander.
- 25. Th7+ Ke6 26. Dd2!!
-
Schwarz am Zug A B C D E F G H 8 7 6 5 4 3 2 1 - 26... Tf7
- Nach
- 26... f4
- folgt einfach
- 27. Te7+
- , und die Drohung g2-g4+ nebst Se2-g3-e4 steht weiter im Raum.
- 27. Sf4+!
- Dieser Zug musste noch gefunden werden, damit der Käse auch ausgepackt und gegessen werden konnte.
- 27... exf4 28. Te1+ De5 29. Txe5+ Kxe5 30. Txf7
- Jahrein, jahraus bin ich gegen ihn getingelt, und endlich hat auch mal der volle Punkt für mich geklingelt.
D) Bogoljubow-Verteidigung (5 Sxf3 g6)
- Tönjes, J.
- Ruf, H.
- 16. Emil Joseph Diemer-Gedächtnisturnier Fußbach-Gengenbach, 13.05.2006
- ECO D00, Anmerkungen: Tönjes, J
- Bogoljubow-Verteidigung (5.Sxf3 g6): Von Bogoljubow gegen Diemer nach 5.Dxf3 angewendet, für 5.Sxf3 wird Bogoljubow diese Idee auch unterstellt. Für Schwarz als eine der aussichtsreicheren Verteidigungen mit der Option auf den vollen Punkt angesehen und in der Vergangenheit von mehreren Meistern und Großmeistern empfohlen. Allerdings verlangt diese Verteidigung beiden Seiten aber auch umfangreichste Kenntnisse ab. Sf Helmut Ruf wendet sie in der folgenden Partie an.
- 1. d4 d5 2. e4 dxe4 3. Sc3 Sf6 4. f3 exf3
- [%emt 0:00:00]
- 5. Sxf3 g6 6. Lc4 c6?!
- An dieser Stelle wird fast ausschließlich
- 6... Lg7
- gespielt, weshalb in der deutschen BDG-Literatur Informationen uber diesen Zug Mangelware sind. In Tim Sawyers BDG-Keybook II findet man auf S. 260 einige Randnotizen, die aber nichts Gutes für Schwarz verheißen.
- 7. Se5
- Die erwahnte Quelle kennt nur die Partie Harnach-Roby, corr. 1964 mit
- 7. O-O Lg7 8. De1 O-O 9. Dh4 Te8 10. Sg5 e6 11. Sce4 Sbd7 12. Sxf6+ Sxf6 13. Txf6 Dxf6 14. Dxh7+ Kf8 15. Le3 De7 16. Te1 Lf6 17. Sxe6+
- 1-0. Der Textzug gefiel mir, um schwarze Felderschwachen zu provozieren.
- 7... e6
- Fast erzwungen
- 7... Le6 8. Lxe6
- (
- Auch
- 8.d5
- käme fur Weiß in Frage.
- )
- 8... fxe6
- ergibt einen isolierten Doppelbauern
- 8. O-O Lg7 9. Lg5 O-O??
-
Weiß am Zug A B C D E F G H 8 7 6 5 4 3 2 1 - Um noch kurz zu rochieren, hatte Schwarz
- 9... h6 10. Lh4 g5
- einstreuen müssen.
- 10. Se4!
- Schon beginnt der Ärger.
- 10... Sbd7 11. Sxd7 Lxd7 12. Sxf6+ Kh8
- Nach
- 12... Lxf6 13. Lxf6 Dc8 14. Dd2
- tauchen unterschwellige Mattdrohungen auf, und der Lf6 kann fur Schwarz leicht zum Sargnagel werden.
- 13. Sxh7 f6 14. Sxf8
- Minutenlange Schachblindheit suggerierte hier
- 14. Sxf6
- mit Figurenrückgabe, bis der Anfall vorbei war und mit dem Textzug weiter marodiert werden konnte.
- 14... Dxf8 15. Dg4 De7 16. Dh4+ Kg8 17. Lxf6 Db4?
- Beschleunigt nur das schwarze Ende.
- Besser war
- 17... Lxf6
- , obwohl Weis mit besserer Stellung und einem Turm mehr auch dann klar auf Gewinn steht.
- 18. Lxg7 Kxg7 19. Df6+ Kh6 20. Ld3 Tg8 21. Tf4
E) Die o'Kelly-Verteidigung (4 f3 c6)
- Bauer, A.
- Tönjes, J.
- 16. Emil Joseph Diemer-Gedächtnisturnier Fußbach-Gengenbach, 13.05.2006
- ECO D00, Anmerkungen: Tönjes, J
- O'Kelly-Verteidigung (4 f3 c6): Diese Zugfolge zeigte Großmeister Alberic O'Kelly de Galway E. J. Diemer im Jahr 1956 in Brüssel anläßlich eines Besuches als Bekämpfung des BDG, daher der Name. In jüngster Zeit wurde sie mit wachsender Begeisterung von FM Stefan Bücker empfohlen, ebenso wie von Volker Hergert, der auf Bückers briefliche Intervention hin über diese Verteidigungsart 1987 ein Thematurnier veranstaltete, 1993 ein Buch über das Thematurnier herausgab und sich auch selbst massiv für diese Verteidigung begeisterte. Was GM O'Kelly und E. J. Diemer übersahen und auch die beiden Letztgenannten nicht zur Kenntnis nahmen, ist, dass es bisher die alteste nachgewiesene Verteidigung im 5 Sxf3-Komplex des BDG ist. 1920 in Göteborg wurde das erste Mal ein Abspiel der O'Kelly-Verteidigung praktisch erprobt. Führer der schwarzen Steine war der Bremer IM und 1 c4-Papa Carl Carls, als ihm Heinrich von Hennig (2. Geburtshelfer des Schara-Hennig Gambits, neben Anton Schara) seine Bekämpfung von Caro-Kann 1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Lc4 vorsetzte und nach 4...Sf6 5.f3 ein reines BDG-Fahrwasser erreicht war. Die Partie ging aufgrund von Ungenauigkeiten von Weiß und Schwarz Remis aus. 1929 wiederholte von Hennig in Duisburg noch einmal den ganzen Spaß, und mit optimierter Zugfolge nach den ersten 10 Zügen war er diesmal siegreich. In der Schlussrunde ging es mit dieser Verteidigung um den Turniersieg.
- 1. d4 d5 2. e4 dxe4 3. Sc3 Sf6 4. f3 c6 5. fxe4
- So würde ich auch dagegen spielen.
- 5... Lg4!?
- MIt völliger Unbedarftheit gespielt. In Bückers Kaissiber 5 und 8 und Hergerts BDG-Buch ist nichts über diesen durchaus naheliegenden Zug zu finden. Man muss wieder Tim Sawyers Keybook II bemühen.
- 6. Le2 Lxe2 7. Sgxe2
- Diesen Zug hat der streitbare Gottesmann und BDG-Verfechter noch auf der Rechnung, mit Zitierung der Partie Gerloff-Plath, corr. 1989.
- 7... Da5
- Aber ab jetzt legt sich bleischwere theoretische Finsternis über die Partie, und alles ist Marke Eigenbau.
- 8. O-O e5 9. Lg5 exd4 10. Lxf6 dxc3 11. Lxc3
- In der Tschigorin-Verteidigung im Damengambit gibt es ein paar Züge früher ein ähnliches seitenverkehrtes Spielmotiv.
- 11... Lc5+??
- Ein echter Schrottzug, der Weiß Material und Stellungsvorteil bringt.
- 11... Db6+
- nebst Sd7 und 0-0-0 war zu versuchen.
- 12. Kh1 Dc7 13. Lxg7 Tg8 14. Lc3 Sd7 15. b4 Ld6 16. h3 Se5 17. Sd4 O-O-O 18. De2 a6 19. Sf5
-
Schwarz am Zug A B C D E F G H 8 7 6 5 4 3 2 1 - 19... Sg6 20. Ld2
- Statt der Umgruppierung sollte Weiß besser mit
- 20. a4
- , b4-b5, Tfb1 usw. loslegen
- oder mit
- 20. Sxd6+ Txd6
- weiter Material reduzieren. Der Gewinn würde dann stetig näher rucken.
- 20... Le5 21. Tac1 Lf4 22. Se3 Sh4
- Plötzlich kann Schwarz wieder versuchen, Ferkeleien anzuzetteln.
- 23. Tg1 Tg3
-
Weiß am Zug A B C D E F G H 8 7 6 5 4 3 2 1 - 24. Sf1 Lxd2 25. Sxd2 Tdg8 26. e5
- Auch damit ist der g2 nicht mehr zu verteidigen.
- 26... Sxg2 27. Dh5
- Relativ am besten erscheint mir noch
- 27. Txg2 Txg2 28. Dxg2 Txg2 29. Kxg2
- mit einem Endspiel T+S gegen D.
- 27... Dd7 28. Txg2 Txh3+ 29. Th2 Txh5
- Damit war die Entscheidung uber den Turnierausgang gefallen, und nach längerer Zeit konnte wieder einmal ein Spieler aus dem Landesschachbund Bremen den Turniersieg in diesem kleinen, aber mittlerweile schon traditionell feinen Turnier verbuchen.
Nachfolgend die Schlusstabelle nach 7 Runden: