Zu Beginn einer neuen Spielzeit denken Mannschaftsführer beim Blick auf die Spielerlisten Dinge wie »Oje, wie sollen wir diese Saison nur überstehen?« oder »Wenn wir dieses Jahr nicht aufsteigen, dann nie.« Häufig genug sieht die Realität dann auf Grund von Spielerabsagen in der eigenen oder einer höherklassigen Mannschaft jedoch ganz anders aus. Die Rochade Bremen wagt sich dennoch auf der Basis der in der vergangenen Ausgabe veröffentlichten Daten an eine Saisonprognose.
Stadtliga
Voraussichtlich werden vier Teams den Aufstieg unter sich ausmachen: Der ehemalige Verbandsligist SV Werder 4 übernimmt mit einem DWZ-Vorsprung von 40 Punkten an den ersten acht Brettern gegenüber dem zweitstärksten Kandidaten hier eindeutig die Rolle des Platzhirschs. Ebenfalls für die Grün-Weißen spricht die starke »Ersatzbank«: Bis Setzlistenrang 14 weisen alle Spieler eine DWZ von über 1780, was bei den übrigen Teams nicht einmal für die ersten Acht gilt. Das einzige Manko im Stammbereich ist die fehlende individuelle Spielstärke an den ersten beiden Brettern. Entscheidend für die Saison wird aber die Frage sein, ob und wie oft die Stammspieler zum Einsatz kommen werden, da fünf auch für die Verbandsligamannschaft gemeldet sind. Sollten zu viele abgezogen werden, spränge die zweite Mannschaft des SK-Bremen-Nord, die ebenfalls vor nicht allzu langer Zeit in der überbremischen Spielklasse aktiv war, sicher nur zu gern in. Mit Andrew Kavalec (DWZ 2063), vergangene Saison noch in der Oberliga eingesetzt, stellen die Nordbremer immerhin das drittstärkste Brett 1 der Liga. Als wesentlich wichtiger als für Werder dürfte sich jedoch hier die Anwesenheit der ersten Sechs erweisen; ab Brett 7 fällt man vor allem gegenüber der direkten Konkurrenz bereits deutlich ab. An dritter Stelle der Setzliste findet sich die in der vorletzten Spielzeit ungeschlagene Mannschaft Bremer SG 4, deren größtes Problem ähnlich wie bei Werder die eigene Verbandsligamannschaft werden könnte. Nicht damit auseinander setzen muss sich dagegen das nach einem Aderlass und dem damit verbundenen Rückzug aus der Landesliga neu formierte erste Team des TuS Syke. Dessen ausgeglichene Spielstärke (1847-78 an 1-4, 1731-89 an 5-8) stellt sowohl ihr neben den fehlenden »Abzugssorgen« größtes Plus als vermutlich auch ihr größtes Manko dar. Mit einem mindestens 150 Punkte stärkeren Brett 1 wären die Mannen um Jürgen Hoffmann ein wesentlich heißerer Aufstiegskandidat. Der Spielplan scheint übrigens an das Prinzip der Bundesliga angelehnt, denn er verspricht Spannung pur: Von den sechs Kämpfen, die die Aufstiegskandidaten untereinander auszutragen haben, finden zwei am letzten, ein weiterer am vorletzten Spieltag statt.
Eine schwere Saison steht »naturgemäß« dem Aufsteiger TuS Varrel 2 bevor. Nicht einmal in Bestbesetzung erreicht das Team von Richard Raths einen DWZ-Schnitt von 1700. Muss die Mannschaft zudem vielleicht ab und zu ein bis zwei Spieler nach oben abgeben, stellte bereits Platz 9 einen Erfolg dar. Ebenfalls stark gefährdet sind die SF Achim 1 sowie der Mitaufsteiger SC Vahr 2. Für die Achimer spricht hierbei, dass sie sich nicht mit einer höherklassigen Mannschaft um die Spieler werden balgen müssen. In der kommenden Spielzeit ist mit genau einem Bremer Absteiger aus der Verbandsliga zu rechnen, so dass Platz 8 höchstwahrscheinlich zum Klassenerhalt reichen wird.
Pl.
Team
Ø 1-8
Ø 1-10
1
SV Werder Bremen 4
1862
1873
2
SK Bremen-Nord 2
1822
1786
3
Bremer SG 4
1812
1821
4
TuS Syke 1
1810
1790
5
Delmenhorster SK 3
1802
1771
6
SK Bremen-West 1
1771
1760
7
SF Leherheide 2
1747
1719
8
SF Achim 1
1710
1712
9
SC Vahr 2
1710
1681
10
TuS Varrel 2
1691
1672
A-Klasse
Auch in der A-Klasse gibt es vier Aufstiegskandidaten, von denen der erste ebenfalls in der Hemelinger Straße beheimatet ist. Eine interessante Mischung aus erfahrenen Turnierspielern und jungen Wilden um Mannschaftsführerin Maike Janiesch sowie den Bremer U14-Meister Simon Bart, der auch auf der Deutschen Meisterschaft überzeugte (s. a. Ausgabe 09/06), schickt sich als SV Werder 5 an, den Aufstieg in die höchste Bremer Spielklasse zu verwirklichen. Bei genauerer Betrachtung fallen allerdings zwei Dinge negativ auf: 1. Das Team fällt schon beim ersten Reserveplatz deutlich ab – die Differenz zwischen den beiden betrachteten Durchschnittswerten beträgt bereits fast 40 Punkte. Jedoch wird die Mannschaft höchstens einen Spieler ab und zu an die Stadtliga abstellen müssen. 2. Sofort ins Auge springt der große DWZ-Vorsprung von Brett 1 gegenüber Brett 2 (über 250 Punkte). Ohne Bundesligabetreuer Ingolf Meyer-Siebert fällt der DWZ-Schnitt gleich um über 60 Punkte, was das Team auf Platz 4 der Rangliste zurückfallen lässt. Wesentlich ausgeglichener präsentieren sich die Findorffer SF 2, deren eigene Stadtligazeit gerade mal ein Jahr zurückliegt. Sehen lassen kann sich hier die Reserve, deren erste beiden Spieler den DWZ-Schnitt sogar steigern. Allerdings kam die Ersatzbank u. a. wegen des Spielerbedarfs der Verbandsligamannschaft in der jüngeren Vergangenheit wesentlich häufiger zum Einsatz, als es Teamchef Detlef Ryniecki lieb gewesen sein dürfte. Die Vermutung, dass dies auch in der neuen Spielzeit so aussehen wird, liegt nahe. Dritter im Bunde ist die letzte Saison in der B-Klasse klar unterforderte Mannschaft Delmenhorster SK 4, die das vom ersten zum letzten Stammbrett größte Gefälle aller Teams dieser Liga (fast 500 Punkte) aufweist. Um im Kampf um die ersten zwei Plätze mitzuhalten, ist Mannschaftsführer Gunnar Ahrens zumindest in den direkten Duellen auf seine drei Spitzenbretter angewiesen. Deutlich entspannter in die Saison gehen dürfte dagegen wohl sein Amtskollege Olaf Peine von der Bremer SG 5, hat er doch gar auf Rang 12 noch einen Spieler mit einer DWZ von über 1580 zur Verfügung – die Hälfte der Teams in der Liga erreicht diesen Wert nicht einmal als Durchschnitt der ersten Acht.
Abstiegskandidat Nr. 1 ist ganz klar SK Bremen-Nord 3. Sogar in der B-Klasse wäre das Team um Mannschaftsführer Bernd Röhl nur auf Rang 9 gesetzt. Falls sich die DWZ-losen Mitstreiter, von denen zwei nicht nur im Stammbereich, sondern dort sogar in der oberen Hälfte agieren, nicht als absolute Glücksgriffe erweisen, drohen der Mannschaft, deren stärkste Akteure erst auf Rang 11-13 gemeldet sind, selbst gegen die direkten Konkurrenten hohe Niederlagen. Sehr ausgeglichen präsentiert sich der Vorletzte der Setzliste, TuS Varrel 3. Bis Rang 10 verfügt Teamchef Wolfgang Keipke über Spieler jenseits der 1500er-Marke, auf Platz 12-15 folgen vier DWZ-lose. Zum Erreichen des Klassenerhalts wird Keipke vor allem auf Punkte an den hinteren Brettern bauen müssen. Mit den beiden unbekannten Größen Rolf Brinkmann und Uwe Gombert sowie ihrem stärksten Spieler Christian Schnabel (DWZ 1760) in der Hinterhand verfügen die SF Achim 2 über einiges Überraschungspotenzial. Genau darauf wird Teamchef und Vorsitzender Kurt Fehsenfeld im Kampf um den wahrscheinlich rettenden Platz 8 auch angewiesen sein. Hartmut Hesse von den SF Osterholz-Scharmbeck darf dagegen auf seine ersten drei Bretter (DWZ 1711-49) bauen, die vor allem einen Vorteil gegenüber der direkten Konkurrenz darstellen. Die Schachfreunde von Oehsen, Radloff und Hesse wären im Falle eines Falles jedoch nicht äquivalent zu ersetzen.
Pl.
Team
Ø 1-8
Ø 1-10
1
SV Werder Bremen 5
1717
1677
2
Findorffer SF 2
1710
1715
3
Delmenhorster SK 4
1690
1640
4
Bremer SG 5
1662
1677
5
Horn/Wilstedt
1648
1635
6
SK Schwanewede
1608
1600
7
SF Osterholz-Scharmbeck
1578
1529
8
SF Achim 2
1568
1583
9
TuS Varrel 3
1547
1543
10
SK Bremen-Nord 3
1376
1376
B-Klasse
Nach der Papierform wird sich die B-Klasse für die SSG Stotel/Loxstedt, deren erste Acht über 50 DWZ-Punkte vom Ranglistenzweiten trennen, einfach gestalten. In der Vergangenheit konnte Teamchef Uwe Berndt jedoch oft nicht einmal eine vollzählige Mannschaft aufbieten. Nur wenn dieses Manko abgestellt wird, darf sich das Team zu den Favoriten zählen. Mit dem zweitstärksten Brett 1 der Liga schickt der TuS Syke seine zweite Mannschaft ins Rennen um die vorderen Plätze. Eine durchaus ansehnliche »Reservebank« verspricht auch dann Konstanz, wenn mal der eine oder andere in der Stadtliga aushelfen muss. Mit derartigen »Problemen« braucht sich die erste Mannschaft des SC Kattenesch nicht zu beschäftigen. Mannschaftsführer und LSB-Präsident Hans-Joachim Steingräber besitzt in diesem Punkt somit einen großen Vorteil; es bleibt ihm zu wünschen, dass er diesen zu nutzen wissen wird.
Dr. Andreas Salm von SV Werder 6 steht dagegen nach der aufstiegsbedingten Aufstockung der Stammbretter im Kampf um den vermutlich rettenden achten Platz in der Abschlusstabelle eine schier unlösbare Aufgabe bevor. Selbst in Bestbesetzung säße beinahe jedem Spieler in jedem Kampf ein stärkerer Gegner gegenüber. Extrem gefährdet ist ebenfalls trotz des stärksten Bretts 1 der Liga das Team SF Achim 3, das jedoch mit vier DWZ-losen Spielern an Position 6-11 überraschen kann. In noch größerem Maße gilt dies für den jüngsten Bremer Schachverein OT, von dessen gemeldeten 15 Aktiven lediglich fünf überhaupt über eine DWZ verfügen.
Pl.
Team
Ø 1-8
Ø 1-10
1
SSG Stotel/Loxstedt
1660
1637
2
TuS Syke 2
1597
1580
3
SC Kattenesch 1
1585
1559
4
SK Bremen-West 2
1512
1519
5
Delmenhorster SK 5
1471
1455
6
SK Bremen-West 3
1418
1382
7
SF Leherheide 3
1415
1415
8
OT Bremen
1396
1396
9
SF Achim 3
1394
1394
10
SV Werder Bremen 6
1370
1329
C-Klasse
Den mit Abstand stärksten Stamm stellen hier die SF Lilienthal 2. Die Differenz zwischen dieser Besetzung und dem Schnitt des Teams inklusive der ersten beiden Ersatzspieler verdeutlicht jedoch die vermutlich größte Schwachstelle: Sobald jemand ausfällt bzw. in der Verbandsliga benötigt wird, fällt das Team um Leitwolf Stephan Sobel schnell auf Durchschnittsniveau ab. Amtskollege Richard Postel vom SC Vahr 3 steht dagegen ein zwar qualitativ beeindruckende, jedoch quantitativ nur knapp bemessene Reserve zur Verfügung. Bei regelmäßiger Teilnahme einer Mehrheit des Stamms stellt die Mannschaft dennoch einen ernsthaften Aufstiegskandidaten dar. Ähnlich gestaltet sich das Bild bei den Findorffer SF 3 um Mannschaftsführer Thorsten Ahlers. Drei DWZ-lose Spieler in der Hinterhand versprechen zudem einige Spannung.
Praktisch mit solchen Spielern gespickt ist das Team SK Bremen-West 4. Mannschaftsführer Arnd Rohlfs wird beim Kampf um den Klassenerhalt für jede positive Überraschung dankbar sein. Gleiches gilt für seinen Amtskollegen Alexander Jung von den SF Achim 4, dessen erste zwei Reservespieler noch keine auswertbaren Resultate aufweisen. Thomas Koch vom TuS Varrel 4 bietet gar fünf »unbeschriebene Blätter« auf, um dem drohenden Abstieg zu entgehen. Die höchste Differenz zwischen Stamm und »Stamm + 2« in allen Bremer Ligen verbucht schließlich SC Kattenesch 2 für sich. Bedingt ist dieser Wert durch die 657 am siebten »Brett« sowie die vier komplett DWZ-losen Akteure dahinter.
Pl.
Team
Ø 1-6
Ø 1-8
1
SF Lilienthal 2
1525
1432
2
SC Vahr 3
1496
1448
3
Findorffer SF 3
1474
1455
4
TuS Syke 3
1435
1400
5
SGem Lemwerder
1400
1347
6
SC Kattenesch 2
1387
1266
7
TuS Varrel 4
1330
1330
8
SF Achim 4
1316
1316
9
SK Bremen-West 4
1290
1254
Zusammenfassung
Es gibt wie immer Favoriten »nach oben« wie »nach unten«. Doch häufig genug haben schon überraschende Leistungen jegliche Prognosen über den Haufen geworfen. Dieser Vorschau liegen nur die nackten Zahlen zugrunde, die keine Auskunft über Training, Steigerungspotenzial, tatsächliche Einsätze und ähnliches berücksichtigen. Es sollten sich also wie stets weder die Favoriten zu sicher sein noch die Außenseiter von vorneherein resignieren. Am besten fasst dies der Titel einer beliebten Artikelreihe bei den diesjährigen Deutschen Jugendmeisterschaften zusammen: »Wichtig is auf'm Brett.« Freuen wir uns in diesem Sinne auf eine spannende sowie hoffentlich faire Saison mit möglichst wenigen bzw. gar keinen kampflosen Partien.